Der Nachtportier
Diese Geschichte trug sich Anfang des Jahres zu. In dem Hotel, in dem ich arbeitete, war es unter anderem meine Aufgabe die Dienstpläne zu erstellen.
Für den kommenden Samstagabend war ein älterer Herr als Nachtportier eingeteilt, den ich schon sehr lange kannte und den ich auch sehr mochte. Er hatte es nicht immer leicht in seinem Leben, war darüber auch schon in die Jahre gekommen und ganz gesund war er auch nicht mehr. Er hat immer gerne im Hotel gearbeitet und so lange er von sich aus nicht aufhören wollte gehörte er dazu. Er lebte alleine und war immer bestrebt einen gepflegten und ordentlichen Eindruck zu machen. So sah er immer wie aus dem Ei gepellt aus. Man konnte sich 100% auf ihn verlassen und er half mir manches Mal mit Sonderschichten aus der ein oder anderen misslichen Lage.
Nun, gehen wir wieder zurück zu diesem Samstag. Ich hatte frei und befand mich zu Hause. Dort erhielt ich mehrere Anrufe der Rezeption, weil der Nachtportier seinen Einsatz entgegen der üblichen Gepflogenheiten noch nicht bestätigt hatte. Auch ich versuchte ihn daraufhin mehrere Male von zu Hause aus telefonisch zu erreichen. Als er sich bis 20 Uhr nicht meldete, besetzte ich den Nachtdienst mit einem anderen Mitarbeiter, da der Dienst des älteren Herren um 22 Uhr begonnen hätte. Ich bat um Rückruf, sobald sich etwas Neues ergäbe.
Zuletzt erkundigte ich mich gegen 23:30 Uhr noch einmal im Hotel nach ihm, doch es gab noch immer keine Neuigkeiten. Ich nahm an, dass es sich am nächsten Tag sicherlich irgendwie aufklären würde. Da es schon spät und ich todmüde war, ging ich schließlich zu Bett.
Auf einmal, als hätte mich jemand aufgestellt, stand ich kerzengerade in meinem Bett. An Schlaf war nicht mehr zu denken!
Ich suchte die Rufnummer der ortsansässigen Polizei seines Bezirks heraus und erzählte ihnen meine Geschichte. Mittlerweile war es weit nach Mitternacht. Dennoch erklärten sich die Polizisten bereit, sich mit mir vor seiner Wohnungstür zu treffen, um gemeinsam nach dem Rechten zu schauen. Ich zog mich blitzartig wieder an und machte mich auf den Weg dorthin.
Als ich ankam stand das Einsatzfahrzeug der Polizei schon vor der Tür des Nachtportiers und wir klopften und klingelten. Nichts tat sich. Mir fiel auf, dass seine Rollläden noch nicht geschlossen waren und das hätte es bei ihm um diese Uhrzeit nie gegeben. Die Polizisten fragten mich, ob eventuell Gefahr im Verzug sei. Ich hörte mich nur noch sagen: „Ja, ganz klar!“
Daraufhin riefen sie die Feuerwehr und die Wohnung wurde aufgebrochen. So schnell wie die Polizisten drin waren, waren sie auch wieder draußen, um mir sehr mitfühlend mitzuteilen, dass er verstorben ist. Ich durfte die Wohnung nicht betreten, da die Spurensicherung noch nicht abgeschlossen war. Aus seiner Bekleidung schlossen die Beamten, dass er sich schon für seinen Nachtportier Dienst vorbereitet hatte und dann einem tödlichen Herzschlag erlag.
Auf meinem Weg nach Hause hatte ich ein tiefes, berührtes, inniges Gefühl und hörte – aber nicht mit den Ohren – sondern so von innen heraus sein Dankeschön. Auf seiner Beerdigung ließ ich das Geschehene nochmal innerlich Revue passieren und fragte mich, ob es ihm wohl recht war, dass ich ihn gefunden habe. In genau diesem Augenblick hatte ich ein deutliches Gefühl, dass mich jemand auf der Stirn und zwischen den Augenbrauen ganz sacht berührt. Als wir an seinem Grab standen, wünschte ich, er hätte zu seinen Lebzeiten so viel schöne Blumen bekommen…auch von mir.
Fotos: © sxc.hu/cfi01, sxc.hu/Ayla87